Bericht der Fotoschule des Sehens
Zeitreise mit der Camera obscura (Lochbildkamera)

Was ist eine Camera obscura?

Der oder die eine oder andere hat den Ausdruck „Camera obscura“ vielleicht schon mal gehört und weiß ungefähr was es ist. Eine Kamera von ganz früher, oder?
Vereinfacht gesagt ist die Camera obscura Kamera, die ohne Objektiv auskommt. Der Begriff "Camera obscura" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "dunkle Kammer". Es handelt sich dabei um einen lichtdichten Kasten, der mit einem kleinen Loch versehen ist. Durch dieses Loch wird das Bild von außen auf die Rückwand des Kastens projiziert, allerdings auf dem Kopf stehend und seitenverkehrt. Das Loch hat also die Aufgabe, die bei heutigen Kameras die Blende im Objektiv hat.
Die Camera obscura benötigt – wie gesagt - kein Objektiv, um ein Abbild der Umwelt zu schaffen. Jeder kann sie selber basteln - mit Schuhkartons, Teedosen oder Schachteln – und hat es vielleicht sogar in seiner Schulzeit getan. Es erschien einem als Kind wie ein kleines Wunder, kannte man bisher ja Fotos nur als Ergebnis einer „richtigen Kamera“, also einem Kamerakörper mit Kameraobjektiv.

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Wie funktioniert die Camera obscura?

Die Camera obscura ist ein Behälter, in die durch ein kleines Loch Licht hineinfallen kann. Auf der gegenüberliegenden Seite entsteht ein auf dem Kopf stehendes Abbild. Diese Projektion kann betrachtet oder aufgezeichnet werden.

Den Gesetzen der Optik folgend, erzeugt ein kleines Loch -ähnlich einer optischen Linse - auf einer Projektionsfläche ein Abbild von angestrahlten Gegenständen. Der kleine Durchmesser des Loches macht das Bild sehr lichtschwach und es kann nur bei ausreichender Abdunkelung der Umgebung beobachtet werden.

Gleichzeitig muss das Loch aber auch sehr klein sein, damit ein einigermaßen scharfes Bild entstehen kann. Denn je kleiner der Lochdurchmesser ist, desto schärfer erscheint die
Abbildung. Die Bildschärfe wird somit durch die Lochgröße bestimmt, kleinere Durchmesser erzeugen schärfere Bilder und umgekehrt.

Allerdings kann das Loch aus Gründen der Lichtstärke und der „Mechanik“ nicht beliebig klein gewählt werden, so dass die Bildschärfe einer Camera obscura immer begrenzt ist. Man kann also nur von einer relativen Schärfe sprechen. Die Bilder der Camera obscura sind im Vergleich zu denen einer fokussierenden Kamera (Kameras mit einem Linsen- oder Spiegelobjektiv) unschärfer.

Ein weiterer Unterschied ist, dass bei fokussierenden Kameras es für jede Gegenstandsweite nur einen bestimmten Bereich gibt, in dem der Gegenstand scharf abgebildet wird. Jeder kennt es, dass immer nur eine bestimmte Schärfentiefe möglich ist. Dies ist bei der Camera obscura anders, da sie ja keine fokussierende Linse hat. Da es keinen Brennpunkt gibt, in der die einfallenden Lichtstrahlen gebündelt werden, wird eine Aufnahme mit der Camera obscura über das gesamte Bildfeld gleichmäßig scharf bzw. unscharf. In anderen Worten: es gibt keine Beschränkung der Schärfentiefe, wie bei der Fotografie mit Hilfe von Linsen.

Zu erwähnen bleibt noch, dass eine Camera obscura keinen eingebauten Belichtungsmesser hat. Dennoch ist es gar nicht so schwierig, die korrekte Belichtungszeit für die Aufnahme durch Ausprobieren zu ermitteln.

Geschichtliches

Doch zurück zu den Anfängen…………
Das Prinzip, dass mittels eines Lochs, in einem dunklen Raum auf dem Kopf stehende Bilder erzeugt werden können, erkannte bereits Aristoteles im 4. Jahrhundert v. Chr. Er beschrieb in einer seiner Schriften erstmalig die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes, wenn das Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt.
Vom Ende des 13. Jahrhundert an wurde die Camera obscura von Astronomen zur Beobachtung von Sonnenflecken und Sonnenfinsternissen benutzt, um nicht mit bloßem Auge in das helle Licht der Sonne blicken zu müssen.
Nachdem es im Mittelalter gelang, Linsen zu schleifen, ersetzte man das kleine Loch des Camera obscura durch eine größere Linse.

Im 16. Jahrhundert wurden transportable Camera obscura gebaut. Ein Spiegel, der im Winkel von 45 Grad zur Linse im Inneren der Kamera angebracht war, projizierte das Bild nach oben auf eine Mattscheibe, wo es bequem abgezeichnet werden konnte. Deshalb wurde die Camera obscura von Malern vor Erfindung der Fotografie gern als Zeichenhilfe genutzt. Man konnte in ihr die Landschaft auf Papier abmalen und dabei alle Proportionen richtig wiedergeben.
Das 19. Jahrhundert brachte die Erfindung der begehbaren Camera obscura als Unterhaltungsmittel für die Bevölkerung. Durch geschickte Drehmechanismen im Dach sowie durch Verwendung einer bestimmten Linse ist es in diesen Räumen möglich, ein recht helles Rundumbild der Umgebung auf eine waagrechte Projektionsfläche zu werfen. Das Bild kann so von vielen Menschen gleichzeitig betrachtet werden. Solche begehbaren Cameras obscuras gibt es auch heute noch.

Mit der Erfindung der eigentlichen Fotografie dauerte es auch nicht lange, bis die ersten Versuche unternommen wurden, das in der Camera obscura erzeugte Bild auf lichtempfindlichen Materialien festzuhalten.

Und heute: gibt es sie noch?

Auch heute in der Zeit in der digitale Fotografie immer populärer wird und die analoge Fotografie scheinbar in den Hintergrund gedrängt hat, kann man natürlich Aufnahmen mit dem unvergleichlichen Charme der Camera obscura machen. Und dazu sind keine Bastelarbeiten, wie in der Schulzeit nötig. Denn es lässt sich jede vorhandene Kamera ganz einfach und ohne viel Aufwand in eine Camera obscura verwandeln. Mittels Spezialkameradeckel, in dem ein kleines, präzises Loch gelasert worden ist, lässt sich jede analoge oder digitale Kamera schnell und ohne viel Aufwand zur Camera obscura „umbauen“.

Mit der eigenen Kamera, dem vorgeschraubten Spezialkameradeckel, einem gleichmäßigen (Un)schärfenbereich über das ganze Bild, und einer langen Belichtungszeit, wird die Lust am Ausprobieren verschiedenster Motive geweckt. Die Fotos haben bei Wahl eines geeigneten Motivs eine beeindruckende Wirkung. In ihrer Weichheit erscheinen sie fast schon surreal und sind Traumbildern gleichzusetzen. Die Realität erscheint auf diesen Bildern jedenfalls verändert.

Die Camera obscura ist somit ein "Low Tech" - Gerät in dem das Bild wieder mehr im Mittelpunkt steht und nicht die Technik der Kamera, die dieses Bild erzeugt. Aber sehen - oder noch besser - probieren Sie es selbst…….